Spielbericht Bavaria 4 gegen Mintraching

Am 19.01.2020 trat unsere Vierte Mannschaft bei den schon bekanntlich an den vorderen Brettern „überdimensional“ stark besetzten Mintrachingern in der Bezirksliga Süd an. Mit einem neuen Höchststand an Spielbereitschaft und erneut sehr gutem Teamgeist konnten wir nach gut geplanter Organisation der Anfahrt mit einer „schlagkräftigen“ Truppe antreten, welche mit ihrem Spielvermögen die favorisierte Heimmannschaft von Beginn an über den Ausgang des Mannschaftskampfes im Ungewissen lassen konnte.
Nach Bekanntgabe der Paarungen durch Spielführer Lennart Uphoff stellte sich bald heraus, dass der angeschlagene Norbert Kiener seine Partie als kampflos gewonnen verzeichnen durfte, wodurch uns ein zusätzliches Maß an Sicherheit zu Gute kam.
Los geht’s:
Nach anfänglich beiderseitig korrekter Eröffnung in der Abtauschvariante der Philidor Verteidigung beging Ewald Limmer den fast schon klassischen „Philidor Fehler“ indem er mit den schwarzen Steinen bei eröffnungstypisch gedrückter Stellung auf schnelles Rochieren verzichtete und anstelle dessen Raum mit seinen Springern abzugreifen versuchte, welcher strategisch gesehen dem Nachziehenden es zusätzlich erschwert den Ausgleich zu erreichen. Als er dann durch einen verfrühten Zentrumsbauernvorstoß einer weiteren weißen Figur die Möglichkeit gab, am Angriff auf den unsicheren König teilzunehmen, gewann Sergey Pavlov mindestens eine komplette Figur, welches er konsequent bis zum Ende ausnutzte – solider Punkt für Bavaria!
2:0

In der Indischen Kasparov Variante überzeugte Artur Steinhauer erneut mit sicherem Eröffnungs- und Abwicklungsverständnis. Der Jugendspieler erarbeitete sich Zug um Zug einen gewinnbaren Endspielvorteil und erzielte trotz zu frühem Damenabtausch ein Läuferendspiel, das technisch nicht optimaler für einen vollen Punkt beschaffen sein hätte können. Artur verlor im weiteren Verlauf nie die Spur eines starken Vorteils – BIS zu den letzten Zügen, als es dann sichtlich hektisch zwischen den Kontrahenten wurde: Der Computer sagt kurz vor Ende +10 für unsere Seite, was auch optisch und vor allem bei genauerem Hinsehen nachvollziehbar ist – dennoch musste die Entscheidung getroffen werden, den langen Weg mit dem König auf das andere Diagonal Eck aufzunehmen, oder ins sichere Remis abzutauschen. Der Moment brachte Artur zu letzterem Entschluss – ABER die Sensation folgte auf dem Fuße da Johann Kausler plötzlich „die Segel strich“ und aufgab! Läufer + Bauer gegen König kann gewonnen sein – aber nur wenn das Umwandlungsfeld die selbe Farbe wie der Läufer besitzt, um den blockierenden König mit Schach zu entfernen – DAS WAR HIER NICHT DER FALL.
Ein weiteres Beispiel, wie Emotionen das Schachgeschehen spannend und überraschend machen können. Ein tatsächlich glücklicher aber durch starkes Spiel absolut verdienter Sieg für Artur.
3:0

Jürgen Brassat griff in der Englischen Vier Springer Variante mit den schwarzen Figuren zu einem Novum – Zug, welcher so zumindest sehr selten in der Datenbank hochrangiger Schachpartien bis Dato zu finden ist: Nach bereits gespieltem a5 bemühte sich Jürgen um zusätzlichen Raum durch nachfolgendes a4! Was dem Spiel eine interessante Note verlieh, da nun das Einschreiten von Leichtfiguren in die „Bauernmulde“ auf b3 eindringen konnten um möglicherweise Weiß in Bedrängnis zu bringen, da zu diesem Zeitpunkt noch alle Figuren auf dem Brett waren. Nach knapp 20 gespielten Zügen war für den nachziehenden ein gelungenes Eröffnungswerk vollendet, die Stellung ausgeglichen – Zeit also für Initiative! Mit einem nun sich ankündigendem „f5 push“ hätte Jürgen eine druckvolle Position mit nachhaltiger Stabilität erreichen können – die Wahl fiel leider auf einen „vergifteten“ OK – Zug, welcher trotz seiner Rechtfertigbarkeit es dem Spieler sehr schwer macht weitere gute Züge zu finden. Nun hatte Lennart Uphoff klare Ideen zur Verfügung, welche sich der aktuelle Oberpfälzer Schnellschachmeister auch nicht entgehen ließ. Die Situation wurde strukturell immer schwieriger für Jürgen, was den Zusammenbruch der Stellung fast unvermeidbar machte – ein solider Ansatz des Bavarianers endete unglücklicherweise durch eine scheinbare Nuance in einer Niederlage.
3:1

An Brett 1 bekam ich es mit FIDE Meister Christoph Rother zu tun:
Mittels des Nimzo-Larsen Angriffs (Aufbau mit Sf3,b3,Lb2) versuchte ich mittels systemorientierten Schachs Theorieduelle zu vermeiden, da ich mich hier grundsätzlich gegen derart starke Gegner im Nachteil sehe. Geplant – und gelungen könnte man nach der Anfangsphase sagen, da die schwarze Eröffnungswahl und nachfolgende Abwicklung , so wie es auch der Mintrachinger nach dem Spiel erwähnte, bei weitem nicht ideal verlief. Eine beiderseitig fragmentierte Bauernstruktur, leichter Entwicklungsvorteil und ein der Stellung zu Grunde liegender starker Springer gegen einen moderaten Läufer war des Umstands Lohn. Der Weiße Plan ging eng mit dem Lehrbuch einher: Versuche die Bauernmajorität auf einer Randseite zu gewinnen und verlade den Läufer in Hilflosigkeit um dann den König durch Zugzwang ebenfalls auszuschalten. Das wäre mir beinahe gelungen. Ausgerechnet ein Stabilisierungszug, welcher 2 meiner Bauern auf die Feldfarbe des Läufers festsetzte, hätte den Nachziehenden umgehend zur Aufgabe bewegt. In dieser Spielphase wurde ich leider hektisch und habe trotz enormen Zeitvorteil viel zu schnell gespielt, was mir DIESE genannte Möglichkeit, aber auch die ein oder andere Optimierung entfallen ließ.
Nach sensiblen Springermanövern aber ordentlicher Verteidigung des Schwarzspielers erspielten wir uns dann ein Remis. Starke Partie – mit unglücklichem Ende.
3,5 : 1,5

Max Dechant erspielte sich im umgekehrten Sizilianer ( Sizilianische Verteidigung mit vertauschten Farben ) nach einer ordentlichen Anfangsphase eine zunehmend vorteilhafte Situation, welche ihm kurz vor dem 30. Zug mit den richtigen Tempozügen auf den gedrückten Königsflügel bereits den Partiegewinn gesichert hätte. Da die Wirkung dieser Züge bei weitem nicht offensichtlichen erscheint, hatte die Fortsetzungsfrage für den Bavarianer durchaus auch einen spekulativen Charakter. Max entschied sich für eine kontrollierte Offensive, indem er den Springer auf f5 zurückführte und g5 folgen ließ – mit der Idee, den gegnerischen König durch aufreißen der Bauernkette offen zu legen. Hier wollte der Nachziehende zu viel – als er seine Bauernstruktur am Königsflügel entkettete um seine Dame ins Angriffsspiel zu bringen. Markus Kraus erkannte den Haken an diesem Plan und ging ohne Umwege in Richtung naheliegendem Bauerngewinn. Weiß steht auf Gewinn. ABER ein paar Züge später griff dann auch der Mintrachinger zu einem Fehlzug indem er seinen Läufer dem Springer zum Tausch anbot. Die Folge daraus wäre das Eindringen des Turms über die offene C Linie gewesen, was die Remisbreite für den Nachziehenden drastisch erhöht. Das vorangegangene Szenario schien Max dann zu sehr mitgenommen zu haben, sodass er eine über weite Strecken sichere und technisch gute Partie am Ende aufgeben musste.
3,5 : 2,5

Gegen die Sizilianische Verteidigung mit beschleunigtem Fianchetto (1.e4 c5 2.Sf3 g6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Lg7 5.Sb3 Sc6 – Partie Variante) stellte sich Kristof Maguire zunächst mit ordentlichen Zügen. Doch dann unterlief ihm ein Fehler, der den kompletten Verlauf der Partie bestimmen sollte – Ein Chaosangriff gegen den unrochierten Weißen König, welcher von Mintrachinger Seite höchst ungenau aber dann auch von Bavarianer Seite nie konsolidierend gelöst werden konnte. Kristof fand einige gute Antworten, welche es dem Nachziehenden schwer machten, sich für eine oder DIE effektivste Vorgehensweise zu entscheiden. Belohnt wurde er durch seine Gegenwehr mit einem tatsächlich remisligen Endspiel. Ab dem 30. Zug war für unseren Jugendspieler wieder alles in eigener Hand, aber durch das darauffolgende Zulassen eines einzelnen und verbundenen Freibauern war es durch konsequentes abarbeiten von Johannes Dietrich ein alles in allem verdienter voller Punkt. Dass beide Spieler deutlich präziser spielen können ist gewiss, aber was verbleibt ist eine abenteuerliche Partie die unterhaltsam und lehrreich ist.
3,5 : 3,5

Nun zu unserer „Heldenpartie“: Es sei vorab erwähnt, dass Helmut Blank zur frühen Endphase seines Spiels von mir bereits erfahren hatte, dass er das letzte Brett ist und es punktemäßig ausgeglichen steht. Entschlossen und fokussiert ging er dennoch folglich zu Werk.
Als Anziehender beantwortete Helmut die französische Verteidigung mit dem Abtausch d5, gefolgt von dem modernen Sc3. Weiß sichert sich somit die Option auf aktiven Bauernvorstoß mittels Springerumgruppierung. Ein beliebtes Mittel mancher Top Engines in vergangenen Supercomputer Turnieren! Dass sich Alois Achhammer eine tendenziell leicht günstigere Position über einen Großteil der Partielänge behält, ist bei dem DWZ Unterschied nach Papier keine große Überraschung. Dennoch ist es ein umso bemerkenswerteres Resultat, dass der Bavarianer durch kontrollierten Abtausch über die zentrale Linie und besonnenes aber nicht passives Spielverhalten in einem Halbgeschlossenen Läufer gegen Springer Endspiel, wo sein Läufer keinen einzigen Bauern für seine Farbe zur Verfügung hatte, nie die Remis-Schwelle unterschritten hat.
Den psychologischen Faktor des DWZ Unterschieds und der letztendlichen mannschaftlichen Rahmenbedingung hat Helmut ausgezeichnet relativiert und dabei äußerst solides Schach aufgezeigt. Respekt!
ENDSTAND 4 : 4

Zusammenfassend hat die Vierte Mannschaft von Bavaria Regensburg gezeigt dass sie sich aktuell vor keiner Mannschaft in der Bezirksliga Süd verstecken muss – solange die Eckpfeiler eines gesunden Mannschaftsgefüges so zu Tage kommen wie sie an diesem Spieltag vorhanden waren: Teamgeist, Motivation, Zuverlässigkeit und der „Biss“ zum gewinnen.
Eine starke Bereitschaft von ALLEN Beteiligten